Ich liege in meinem Bett im Krankenhaus und die Gedanken wandern. Gestern habe ich meinen Befund bekommen: Krebs! Irgendwo hatte ich es schon geahnt, wollte es aber nicht wahrhaben. Die Nacht war schlimm. Kein Schlaf, nur von rechts nach links gedreht und wieder zurück, jetzt fühle ich mich wie gerädert.
Ich mache das Radio an, höre Musik, ach ja, wir haben ja Advent. Danach ist mir jetzt überhaupt nicht zumute. Das wird für mich und meine Familie keine schöne Adventszeit, am liebsten würde ich Weihnachten dieses Jahr ausfallen lassen. Ich kann die süßliche Musik im Radio nicht hören, schalte es aus.
Meine Gedanken wandern und bleiben bei früher hängen. Am Samstag Nachmittag im Advent las unsere Mutter uns Kindern die Verkündigungsgeschichte an Maria vor und wir sangen Adventslieder. Komisch, warum fällt mir das gerade jetzt ein? Früher fand ich an der Geschichte nichts besonderes. Jetzt hier im Krankenhausbett drängen sich auf einmal andere Gedanken auf. In meiner Phantasie sehe ich die junge Maria wie sie vor dem Engel steht und um eine Antwort ringt. Unendlich viele Fragen und Ängste hat sie. Wie reagiert ihr Verlobter, was sagen ihre Eltern, wird ihr Leben im Dorf als unverheiratet schwangere nicht zum Spießrutenlauf, wird sie alle ihre Freunde verlieren, kann sie sich überhaupt noch irgendwo blicken lassen? Fragen über Fragen und nur eine einzige Antwort bekommt sie: Vertraue Gott, denn für Gott ist nichts unmöglich!
Auf einmal wird mir klar, wie unendlich schwer Maria die Antwort an den Engel gefallen sein muss: mir geschehe, wie du es gesagt hast. Eine solche Antwort setzt ein riesiges Vertrauen in Gott voraus.
An dem Punkt werde ich ein wenig neidisch auf Maria und ihren scheinbar so festen Glauben. Könnte ich doch auch gerade jetzt gut brauchen, wenigstens ein bisschen glauben können wie Maria.
Zum ersten Mal seit langem drängt sich mir ein Gebet auf die Lippen und Tränen fließen über mein Gesicht. Tief in mir spüre ich, dass das ein guter Weg im Umgang mit mir und mit meiner Krankheit sein kann: Gottvertrauen!
Advent, heißt das nicht Ankunft des Herrn? Nicht irgendwo, das spüre ich, hier bei mir, in mir wird es Advent, ist ein Licht angezündet worden.
Diese Nacht werde ich besser schlafen, das fühle ich.
Pfr. Bernhard Uedelhoven
Pfr. B. Uedelhoven ist leitender Pfarrer der Katholischen Krankenhausseelsorge Wuppertal
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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